„Eigentlich weiß man nur, wenn man wenig weiß. Mit dem Wissen wächst der Zweifel.“

Johann Wolfgang von Goethe

Nicht alles, was in Notfall- und Krisensituationen gut gemeint sein mag, erleben Betroffene als wirklich hilfreich. Manche Interventionen können womöglich sogar eher schaden als nutzen. Deshalb ist es mir wichtig, das eigene Handeln stets kritisch zu reflektieren und so gut wie möglich empirisch zu begründen. Gemeinsam mit vielen engagierten Kolleginnen und Kollegen war und bin ich daher auch an zahlreichen Forschungsprojekten beteiligt. Eine Auswahl dieser Projekte wird nachfolgend vorgestellt.

Entwicklung einer bereichsspezifischen, kompetenzorientierten Bevölkerungsschutzdidaktik (BeSchuDi)
Im Auftrag des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe wird in diesem Projekt an der MSH Medical School Hamburg erarbeitet, wie Unterricht auf den unterschiedlichsten Handlungsebenen im Bevölkerungsschutz optimiert werden kann. Unter anderem geht es darum, welche didaktischen Implikationen sich aus den besonderen Rahmenbedingungen im Bevölkerungsschutzsystem ergeben und wie die erforderlichen Kompetenzen angebahnt, entwickelt und überprüft werden können. Das Projekt läuft von Oktober 2023 bis September 2025, weitere Informationen gibt es auch auf der Projektseite im Internet.

Dokumentation und Reflexion des Psychosozialen Krisenmanagements nach der Flutkatastrophe im Schleidener Tal (DoKoPsy_Flut)
Nach der verheerenden Flutkatastrophe, die 2021 v. a. das Ahrtal in Rheinland-Pfalz und Teile von Nordrhein-Westfalen verwüstet hat, sind in den betroffenen Regionen sehr unterschiedliche Konzepte für die Psychosoziale Notfallversorgung verwirklicht worden. Im Schleidener Tal (Kreis Euskirchen, NRW) wurde unter Federführung der Malteser beispielsweise ein einzigartiges Hilfezentrum eingerichtet, in dem Betroffene bis heute Unterstützung erfahren. Im Auftrag des nordrhein-westfälischen Innenministeriums und der Malteser werden Erfahrungen, die in diesem Zusammenhang gesammelt worden sind, nun sorgfältig dokumentiert und systematisch ausgewertet. Das Projekt hat im September 2023 begonnen und wird Ende des Jahres 2024 abgeschlossen sein.

Lagebild Bevölkerungsverhalten im psychosozialen Krisenmanagement (LaBiKrim)
Im Projekt „LaBiKrim“ wurden Erfahrungen dokumentiert und ausgewertet, die während der Coronavirus-Pandemie im bayerischen Landkreis Aichach-Friedberg gesammelt worden sind. Dort wurden psychosoziale Informationen systematisch genutzt, um auf Bedarfe und Bedürfnisse verschiedener Bevölkerungsgruppen möglichst angemessen reagieren zu können. Welche Lehren aus dieser innovativen Vorgehensweise für zukünftige Krisen- und Schadenslagen gezogen werden können, ist Gegenstand des Projektes, das von Juni 2023 bis Dezember 2023 im Auftrag des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe durchgeführt worden ist.

Helping to Cope (Hope)
Das Projekt „Helping to Cope“ wurde von der Psychologischen Hochschule in Berlin (PHB) gemeinsam mit dem Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BdP), der AETAS-Kinderstiftung aus München und weiteren Partnern initiiert, um Schulpsychologinnen und Schulpsychologen in der Ukraine zu beraten und zu unterstützen. Ich bringe mich mit einem eigenen (Teil-) Projekt ein, konkret mit der Konzeption und Vermittlung von pädagogischen Leitlinien für Unterricht in Kriegs- und Krisenzeiten (LinKK).

Mittelfristige Notfallnachsorge für Kinder und ihre Familien (MINI)
Mit diesem Projekt soll auch einige Zeit nach dem Einsatz der Notfallseelsorge noch eine längerfristige Begleitung von Menschen ermöglicht werden, die Unglücke, Krisen und Katastrophen miterlebt haben. Das MINI-Projekt versteht sich insofern als „verlängerter Arm der Notfallseelsorge“ und soll vor allem Brücken zu weiterführenden Hilfsangeboten bauen – beispielsweise zu Trauergruppen, Traumaambulanzen, Beratungsstellen und Therapieangeboten. Aber auch Unterstützungsangebote in versicherungsrechtlichen und organisatorischen Fragen können über das MINI-Projekt vermittelt werden. Meine Kollegin Iris Stratmann von der Oberhausener Notfallseelsorge und ich sind die Initiatoren des Pilotprojektes, das von März 2022 an zunächst für ein Jahr in den Städten Mülheim an der Ruhr, Essen und Oberhausen durchgeführt und von der Medical School Hamburg wissenschaftlich begleitet wird. Die Projektfinanzierung haben die Stiftung Notfallseelsorge sowie die Familienstiftung der Versicherer im Raum der Kirchen übernommen. Weitere Informationen zum MINI-Projekt gibt es hier.

Kommunales psychosoziales Krisenmanagement (KoPsyKris)
Im Auftrag der Stadt Mülheim an der Ruhr habe ich von Februar bis Juli 2022 ein Konzept zur nachhaltigen Fortführung und Verstetigung eines kommunalen Psychosozialen Krisenmanagements erarbeitet. Dieses Konzept ist inzwischen in den kommunalen Brandschutzbedarfsplan eingeflossen, der im Dezember 2022 verabschiedet worden ist.

Schule und Corona (SchuCo)
Gemeinsam mit Prof. Dr. Christian Reintjes, Prof. Dr. Sonja Nonte und Eva Grommé von der Universität Osnabrück habe ich im Frühjahr 2022 untersucht, wie Kinder und Jugendliche in Mülheim an der Ruhr ihre Schulzeit in der Coronavirus-Pandemie erlebt haben. Durchgeführt wurde hierzu eine Online-Befragung, die an das bereits abgeschlossene „Muntermacher“-Projekt der Universität Osnabrück angelehnt war und auf diese Weise auch Vergleiche zwischen unterschiedlichen Stichproben und Erhebungszeiträumen möglich gemacht hat: Ein Teil der Ergebnisse ist in der Zeitschrift „Schulverwaltung NRW“ veröffentlicht worden.

Dokumentation des kommunalen Psychosozialen Krisenmanagements im Rahmen der Coronavirus-Pandemie (DoKoPsy) 
In diesem Projekt, das vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe beauftragt worden ist, wurden alle bisherigen Aktivitäten, Maßnahmen und Angebote des kommunalen Psychosozialen Krisenmanagements in Mülheim an der Ruhr systematisch erfasst, dokumentiert und gemeinsam mit zahlreichen Netzwerkpartnern kritisch reflektiert, um daraus Handlungsempfehlungen für die Standardisierung eines kommunalen Psychosozialen Krisenmanagements auch im Hinblick auf andere Gefahren- und Schadenslagen ableiten zu können. Das Projekt wurde von Januar bis Dezember 2022 durchgeführt. Der 944-seitige Abschlussbericht liegt dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe vor, ist bislang aber unveröffentlicht.

Vulnerabilität und Kritikalität des Bildungswesens (BeKRITIS) 
Die Coronavirus-Pandemie hat recht eindrucksvoll aufgezeigt, dass Kindertagesstätten, Schulen und weitere Bildungseinrichtungen in Deutschland im Hinblick auf großflächige, längerfristig anhaltende Krisenlagen offenbar nur unzureichend vorbereitet sind. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob und inwiefern man das Bildungswesen – ebenso wie z. B. das Gesundheitswesen, die Energie- und Lebensmittelversorgung – nicht ebenfalls als eine „Kritische Infrastruktur“ betrachten muss, die einen ganz besonderen Schutz benötigt. Im Auftrag des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe habe ich zu dieser Thematik gemeinsam mit Corinna Posingies und Johannes Dülks von Mai bis September 2021 eine Pilotstudie durchgeführt; der Abschlussbericht steht hier zum Download bereit.

Kind und Katastrophe (KIKAT)
Im Auftrag des Bundesinnenministeriums bzw. des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe habe ich von 2016 bis 2019 das Projekt „Kind und Katastrophe“ (KiKat) geleitet. Darin ging es um die Psychosoziale Notfallversorgung für Kinder und Jugendliche in komplexen Gefahren- und Schadenslagen, z. B. bei Terrorakten, Amokläufen an Schulen oder Schulbusunfällen. Meine Kolleginnen Verena Blank-Gorki, Ann-Katrin Fegert und ich haben u. a. Betroffene, Psychosoziale Akuthelfer und weitere Expertinnen und Experten aus dem Feld interviewt. Wir haben Einsatz- und Ausbildungspläne analysiert und zahlreiche sehr konkrete Handlungsempfehlungen für den Bund, die Länder, Kommunen und Einsatzorganisationen erarbeitet. Der Abschlussbericht kann hier heruntergeladen werden.

PSNV nach Winnenden und Wendlingen
Von 2012 bis 2015 habe ich im Auftrag des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe an der Evaluation der Psychosozialen Notfallversorgung in Winnenden und Wendlingen mitgearbeitet. Gemeinsam mit den Kolleginnen Dr. Jutta Helmerichs und Verena Blank-Gorki haben wir in unserem Team untersucht, wie die Hilfeleistung abgelaufen ist und welche Maßnahmen wann, wie und von wem durchgeführt worden sind. Der Abschlussbericht kann hier heruntergeladen werden.

Einzelfallstudie „Schulbusunfall“
Nach einem schweren Schulbusunfall in Gummersbach 2011 hatte ich die Gelegenheit, die Kinder und Jugendlichen, die in dem verunglückten Bus gesessen haben, ausführlich zu interviewen. Aus den Ergebnissen dieser Befragungen ließen sich viele sehr konkrete Hinweise darauf ableiten, wie ein psychosoziales Einsatzmanagement idealerweise gestaltet werden sollte. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse des Forschungsprojektes in der Zeitschrift „Notarzt“ (Jahrgang 31, S. 82-92):

Projektbegleitendes Engagement
Unabhängig von meinen eigenen Studien war bzw. bin ich als Experte, Beirat, externer Mitarbeiter oder Gutachter in diverse weitere Forschungsprojekte involviert, u. a. in die folgenden:

  • Forschungsprojekt „Entwicklung von Qualitätsindikatoren in der Katastrophenmedizin“ (QUARZ-SAND) unter der Leitung von Dr. Daniel Bläser am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel.
  • Forschungsprojekt „Bildungsatlas Bevölkerungsschutz: Pädagogische Neukonzeption der Aus- und Fortbildung im Bevölkerungsschutz“ unter der Leitung von Prof. Dr. Lars Gerhold an der Freien Universität Berlin.
  • Forschungsprojekt „Rettung, Hilfe und Kultur: Interkulturelle Kompetenz im Bevölkerungsschutz“ unter der Leitung von Prof. Dr. Silke Schmidt an der Universität Greifswald.
  • Forschungsprojekt „Atlas Verwundbarkeit und Resilienz“ unter der Leitung von Prof. Dr. Alexander Fekete (TH Köln) und Dr. Gabriele Hufschmidt (Universität Bonn).
  • Forschungsprojekt „European Network for Psychosocial Crisis Management – Assisting Disabled in Case of Disaster – Implementation“ (EUNAD-IP), von 2013 bis 2017 koordiniert vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.
  • Nationale Konsensuskonferenz zur Psychosozialen Notfallversorgung, von 2007 bis 2010 moderiert vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

Weitere Aufgaben und Arbeiten
Darüber hinaus haben mich in den letzten Jahren folgende Themen beschäftigt:

  • Entwicklung von Grundzügen eines Menschenbildes des Bevölkerungsschutzes, d. h. eines „homo calamitatem comprehendens“ (2018).
  • Erarbeitung eines gemeinsamen Didaktischen Konzeptes für die „Standardisierte Ausbildung von Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern bei den Feuerwehren in Nordrhein-Westfalen“ (StAN) (2017).
  • Etablierung der Veranstaltungsreihe „Forum Bevölkerungsschutzpädagogik“ an der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz des Bundes in Bad Neuenahr-Ahrweiler, gemeinsam mit Thomas Mitschke (seit 2016).
  • Erarbeitung von „Sozialkompetenzalgorithmen“ als Grundlage eines Sozialkompetenztrainings für angehende Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter (seit 2016).
  • Konzeption eines Weiterbildungscurriculums zur Klinischen Krisenintervention (KKIT) (2016).
  • Mitwirkung bei der Entwicklung des Rahmenlehrplanes für die Ausbildung von Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern in Nordrhein-Westfalen (2015).
  • Etablierung der Veranstaltungsreihe „Lernfeld Rettungsdienst“ an der MSH Medical School Hamburg, gemeinsam mit Prof. Dr. Klaus Runggaldier (seit 2014).
  • Konzeption und Evaluation einer „Inhouse Security Party“ als innovativer Beitrag zur Stärkung der Selbsthilfekompetenz (2012).
  • Kooperationspartner im Präventionsrat der Stadt Gelsenkirchen (PräGe) (seit 2011).
  • Entwicklung einer „Stärke und Ausstattungsnachweisung“ (STAN) für Kräfte der Psychosozialen Notfallversorgung (2011).
  • Mitwirkung in der Zentralen Übungssteuerung (ZÜSt) der vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe koordinierten, länderübergreifenden Krisenmanagement-Übung „LüKEX“ (2011).
  • Entwicklung einer speziellen „Notfall- bzw. Bevölkerungsschutzpädagogik“ zu einer eigenständigen Subdisziplin der Erziehungswissenschaft (seit 2010).
  • Entwicklung einer Theorie von „Notfall“ und „Rettung“ als Orientierungshilfe für didaktisches Handeln (seit 2010).
  • Erarbeitung eines „Einsatzstrukturmodells“ als Grundlage systematischer Einsatzevaluationen (2010).
  • Leitung der kommunalen Koordinierungsstelle „Loveparade-Nachsorge“ in Mülheim an der Ruhr (2010).
  • Koordination eines interkommunalen Einsatznachsorgeteams für Feuerwehren, Rettungsdienste und die Polizei in Essen, Duisburg, Mülheim an der Ruhr und Wuppertal (2005 bis 2010).
  • Erarbeitung von Grundzügen einer Fach- bzw. Berufsfelddidaktik für die Ausbildung von Einsatzkräften im Rettungsdienst (seit 2004).
  • Erarbeitung von multiprofessionell-systemisch ausgerichteten Praxiskonzepten zur Psychischen Ersten Hilfe sowie zur Psychosozialen Akuthilfe für Kinder und Jugendliche in Notfallsituationen (seit 1999).